Im Januar 1955 wurden die Mallersdorfer Schwestern in die Mission nach Südafrika ausgesandt, wo sie nach ihrem Gründer „Nardini-Sisters“ genannt werden. Sie errichteten in der Burenstadt Vryheid ein katholisches Erziehungs- und Schulzentrum. Wir waren also heute zu Gast in der Urzelle der Missionsarbeit unserer Schwestern. Eine, die von den frühen Anfängen an dabei war, ist die heutige Gebietsoberin Schwester Isentraud Rauscher, die uns gestern bereits in Maria Ratschitz willkommen hieß. Die tatkräftige 74-jährige war es, die sich als Leiterin der Nardini-School 1978 den Apartheidsgesetzen widersetzt hatte. Sie öffnete die Schule für Schwarze. Das Regime drohte mit Haft und der Schließung der Schule. „Ich war einfach davon überzeugt, dass wir als katholische Schule das tun mussten. Ich wusste, wir hatten einen guten Ruf und waren nicht so einfach anzugreifen“, sagt sie. Die Polizei wagte es auch nicht, die Schwester fest zu nehmen und wandte sich an das Kultusministerium. Das Kultusministerium gestand schließlich unter vielen Auflagen eine kleine Zahl von Zulukindern als Schüler zu. Doch der Widerstand in der nur von Weißen bewohnten Stadt war groß. „Gleich am ersten Schultag flogen Steine gegen unsere Fenster. Wir hatten Grafitis an den Hauswänden. Aber wir haben nicht nachgegeben.“ Schwester Isentraud öffnete das Haus für alle Zulukinder, die kommen wollten, und stellte es den weißen Eltern frei, ihre Kinder von der Schule zu nehmen. „Ein Vater hat sofort gedroht, seine beiden Buben nicht mehr zu uns kommen zu lassen. Doch der zweite Tag verging, der dritte und vierte, und die Buben waren immer noch da. Später habe ich erfahren, dass die Buben sich einfach ihren Eltern widersetzt haben, weil sie bei uns bleiben wollten.“ Im Erzbischof von Durban hatte sie einen mutigen Mitstreiter. Schwester Isentraud musste nicht ins Gefängnis, doch die Sanktionen blieben. 13 Jahre lang blieb die Nardini School von allen sportlichen Schulwettkämpfen ausgeschlossen, eine Repressalie, die für die sportbegeisterten Jugendlichen schwer anzunehmen war. „Als in unserer Schule einmal eingebrochen wurde, wollte die Polizei die Fingerabdrücke aller schwarzen Schüler nehmen. Ich habe gesagt: Sie können die Fingerabdrücke von den Kindern nehmen, aber von allen, schwarz und weiß. Und sie müssen das dann halt den weißen Eltern erklären.“ Also kam es nicht dazu. „Man durfte sich auf keinen Fall einschüchtern lassen“, blickt sie heute auf die schwere Zeit zurück. Der nahezu tägliche Kampf gegen das Apartheids-Regime ist und bleibt ihre eindrücklichste Erfahrung, obwohl sie davon unendlich viele zu erzählen hat. Als ihre Schule nach all den Jahren zum ersten Schwimmwettkampf eingeladen wurde und zum ersten Mal schwarze Kinder an den Start gehen durfte, hatte Schwester Isentraud den Kampf der Nardini-Sisters gewonnen.
Heute wird die Schule von knapp 400 Schülerinnen und Schülern verschiedener Kulturen und Religionen besucht, wobei der Anteil der Zulus bei rund 90 Prozent liegt. Und die Schwestern sind mit Begeisterung dabei und mit einer spürbar großen Liebe zu den Kindern.
Obwohl Schulferien sind, begrüßen uns rund 15 Kinder und Jugendliche. Schüchtern warten sie auf die Buben aus Regensburg, mit denen sie im Saal der Schule gemeinsam singen wollen. Bei der Choraufstellung drängen sie sich zurückhaltend am Rand. Domkapellmeister Roland Büchner stimmt auf dem Klavier die ersten Takte der Südafrikanischen Nationalhymne an und ein Lächeln huscht über die Kindergesichter. Die Freude an der Musik lässt schnell alle Hemmungen vergessen. Gemeinsam wird gesungen, kommen sich die Kinder näher. Als Roland Büchner Fußbälle und Trikots als Geschenke verteilt, sind es einfach nur noch Buben und Mädchen, die sich gemeinsam freuen. Die Domspatzen pumpen die Bälle auf, helfen beim Überziehen der Trikots, und stolze zukünftige Weltmeister strahlen die Gäste an. Eigentlich soll ja noch die Schule besichtigt werden, doch das fällt mit diesen nagelneuen Fußbällen in den Händen sowohl den einheimischen Kindern als auch den Domspatzen schwer. Ihre Ungeduld ist wirklich nicht schwer zu erkennen. Und so sind sie, als ihnen das Pflichtprogramm erlassen wird, schneller weg als wir schauen können. Auf dem Fußballplatz flitzen kleine Zuluboys im Deutschlandtrikot über den Platz, im Schwimmbad wird getaucht und im Kloster sind Domspatzen und Nardini-Sisters beim Kickern ein starkes Team im Wettstreit gegen die Nardini-Schüler, verstärkt durch Männerstimmen. Nahezu unschlagbar zeigt sich Schwester Emanuela, eine gebürtige Breitenbrunnerin. Locker mischt sie bayerische und englische Wörter bei ihren Anfeuerungsrufen.
Im traumhaft grünen Innenhof des Klosters, in dem 1955 das erste Konventsgebäude stand und heute ein Franzikusbrunnen zwischen einem vier Meter hohen Gummibaum und leuchtend orange blühenden Strelitzien inmitten einem bunten Blumenteppich plätschert, berichtet sie von ihrer Arbeit und sorgt dabei ganz nebenbei dafür, dass kein Kind hungrig oder durstig bleibt. Seit 1985 ist sie in Vryheid. Am 28. August ist sie damals gekommen, das weiß sie noch ganz genau. „Des war ganz schön aufregend. I bin ja vorher no nie gflogn. Mei, wos hob i scho g’wusst von der Welt.“ Sie ist glücklich hier. Ein Mädchen lächelt ihr zu. Sie erzählt von ihrer Geschichte, „it’s touching“. Zurück nach Deutschland – das kann sich Schwester Emanuela nicht mehr vorstellen. „Mei, wahrscheinlich ging’s, wenn’s sein müsste. Aber diese Weite, die Natur, das Leben hier, des prägt scho.“ Vryheid ist ihre neue Heimat. Und da stimmen ihr alle ihre deutschen Mitschwestern zu.
Musik, sie verbindet dann umso mehr die alte und die neue Heimat, als sich alle noch mal zum Abschluss des bunten Tages in der Schulhalle treffen. Ein kleines Mädchen marschiert entschlossen in den Kreis der Domspatzen und legt einen flotten Zulutanz aufs Parkett. Die einheimischen Nardinischwestern streifen flugs ihre Schuhe ab, fangen zu singen an und nehmen, ehe sich’s diese versehen, zwei Domspatzen mit zum Tanz.
Und dann gibt es die Premiere vor der Uraufführung. Als Dankeschön an die Schwestern für ihre mutige, entschlossene und erfüllende Arbeit für die Kinder von Vryheid sind sie die ersten Zuhörer des Sonnengesangs von Enjott Schneider, interpretiert von den Regensburger Domspatzen. Und die Buben nehmen sie mit hinein in alle fein nuancierten Stimmungen, berühren mit dem jubelnden Lobpreis Gottes. Die Generalprobe in der Halle gelingt so gut, dass wir uns riesig auf morgen auf das Konzert in der Abteikirche freuen. „Danke Männer“, ruft ein strahlender Domkapellmeister und zeigt zufrieden mit dem Daumen nach oben. „Das ist etwas ganz Besonderes, etwas Wunderbares“, sagt Schwester Isentraud. Und der kleine Klosterhund, der dem franziskanischen Gesang direkt vor der Bühne gelauscht hat, wedelt fröhlich mit dem Schwanz.
2 Kommentare:
Hallo "Fussballer",
wie ist den das Ländespiel ausgegangen? Wer war den der Jogi Löw der Domspatzen? Wer hat den Dr. Müller-Wohlfahrt ersetzt und welche Aufgabe hatte z.B. Schwester Gertrude bei dem Match? Wenn man die Bilder anschaut, kann man die Dynamik des Spiels fast miterleben. Weiterhin viel Spaß und ein Extra-Schulterklopfer für Jochen
Fam. Anders
Herzlichen Dank für die grandiose Berichterstattung an alle Verfasser!
Einen besonderen Gruß an Tobias Wagner von seiner Familie, vielleicht klappts Montag abend mit telefonieren!
Kommentar veröffentlichen