Mittwoch, 9. April 2008
Südafrika - Das Land ...
Montag, 7. April 2008
Südafrika - Das Land, das nicht loslässt
Südafrika - Das Land des ersten Abschieds
Südafrika – Das Land der Glaubensfreude
PS: In vier Stunden werden wir geweckt. Die erste Gruppe hebt ab über dem Land, das uns in den vergangenen zwei Wochen so viele Eindrücke geschenkt hat, das uns Einblicke gewährt hat in die zuvor unvorstellbare Armut vieler Menschen und Ausblicke eröffnet hat auf grandiose Landschaften. Ich danke Ihnen, dass Sie uns auf dieser Reise durch die Weiten Südafrikas begleitet haben und freue mich, dass Sie meine Texte mochten – auch wenn kurz vor Mitternacht nach einem erfüllten Tag das Formulieren manchmal nicht mehr so flüssig ging. Ein riesiger Dank an Mivo (Michael Vogl), der mit einer Engelsgeduld mit mir in so vielen nächtlichen Stunden Bilder ausgesucht und hochgeladen hat. Und natürlich an die Reiseleitung, die ständig auf der Suche nach Funksigalen mit Wlan und Voucher immer für die technisch richtige Verbindung sorgte. Danke auch meinem Kollegen Thomas Berg, der heute den ersten Teil des Blogs geliefert hat und mir damit eine Stunde mehr Schlaf gönnen wird. Ich freue mich auf das Wiedersehen in Regensburg. Ihre Maria Baumann
Sonntag, 6. April 2008
Südafrika – Das Land der Hoffnung
An der Kapspitze haben die Domspatzen schnell ein großes Publikum, als sie bei der so berühmten Wegmarke ihr Lied anstimmen. Einige deutsche Touristen singen erstaunt und fröhlich mit. Beim Mittagessen am Kap-Point eröffnet sich wieder der weite Blick auf den Ozean. Schwarz-weiße Strauße und ihre grauen Weibchen stolzieren durch das Gras. Vögel mit schillerndem Gefieder picken listig nach der Brotzeit der Gäste. Mäuschen sammeln auf dem Parkplatz die Krummen ein. Tatkräftiger zeigen sich die Paviane. Sie klauen schon mal ganze Rucksäcke, um sich den Nahrungsvorrat der Reisenden zu teilen. Zufrieden sitzt ein Pavian mit einem erhaschten Sandwich auf dem Dach eines parkenden Autos. Zebras grasen an den Hängen, als wir auf der anderen Seite der Halbinsel durch den Naturpark zurückfahren.
Es bleibt nur kurz Zeit zum Umziehen, bevor wir wieder starten. Durch die Stadt mit ihren prachtvollen Bauten, aber auch monströsen Hochhäusern geht es über die Autobahn in ein Town-Ship. Kilometerlang reihen sich die Wellblechhütten. In dem größten Township vor Kapstadt leben 800 000 bis eine Million Menschen. Wir steuern ein etwas kleineres, noch weiter vom Zentrum entferntes Township an. In der St. Timothy Gemeinde in Tafelsig feiern wir heute gemeinsam Gottesdienst. Die Melodien der Kirchenlieder laden sofort zum Mitsingen ein. Father Emanuel Siljeur zelebriert gemeinsam mit Father William (Dompropst Dr. Wilhelm Gegenfurtner) und Father Peter (Domkapitular Peter Hubbauer). Mit Charisma und Begeisterung lässt er die Bedeutung des Ostergeheimnisses noch einmal gegenwärtig werden. Er spricht von Gemeinschaft im Glauben, ruft dazu auf, zusammen zu stehen. „Gott wirkt durch die alltäglichen Erfahrungen. Öffnen wir die Augen, wir sehen Neues, Gott ist in jedem zu erkennen, Gott verlässt uns nicht, Gott ist mit uns, Gott hat gelitten und ist auferstanden!“ In kraftvollen, enthusiastischen Worten gibt er den rund 60 Gläubigen aus der Siedlung, die gekommen sind, Hoffnung. Mehr trauen sich nicht zum Vorabendgottesdienst, erzählt er uns nach der Messe. Sie haben Angst, wenn sie im Dunkeln wieder nach Hause gehen müssen. Es ist dieser Gegensatz, der auch hier begegnet. Die Lebensbedingungen sind feindlich, Armut setzt viel zu enge Grenzen. Doch die Menschen, die in dieser Armut leben, begegnen uns mit Freude und offener Herzlichkeit. Warm tauschen sie mit uns den Friedensgruß, wir nehmen uns an den Händen und beten gemeinsam für alles, was in den Fürbitten zum Ausdruck kommt: der Wunsch nach Frieden, Toleranz und den Geschenken begründeter Zuversicht. Mit Beifall danken die Gottesdienstbesucher den Domspatzen, dem Chor aus der Heimat des Papstes, wie ihn Father Emmanuel vorgestellt hat, nach dem anschließenden Konzert. Wieder kehren wir beschenkt zurück, aus dem Township, wo die Hoffnung aus dem Glauben auch in Wellblechhütten zuhause ist.
Samstag, 5. April 2008
Südafrika – Das Land der zwei Ozeane
Bei klarem Himmel belohnte uns ein prächtiger Sonnenaufgang über Mariannhill für den frühen Weckruf um 5 Uhr. Um 8.55 Uhr hoben wir in Durban ab und flogen dem letzten Ziel unserer Reise entgegen: Kapstadt, die „Mother City“ Südafrikas. Trotz Sonnenscheins hüllte sich der Tafelberg bei unserer Ankunft in Wolken. Doch wie wir es von dem perfekten Reisemanagement gewohnt und inzwischen von ihm verwöhnt sind, gelang der Ausflug zu dem Wahrzeichen der Stadt zum Erfolg. Pünktlich zur Abfahrt vom Hotel lichteten sich die dicht um die Bergspitze wabernden Schwaden und der imposante Tafelberg zeigte sich in seiner ganzen majestätischen Schönheit. War der Ausblick von der Talstation schon ein Genuss, erwarteten uns bei der Fahrt mit der Gondel faszinierende Aussichten. Die 34 Buben und 20 jungen Männer standen inmitten der kantigen Felslandschaft und schauten hinab auf das Kap der guten Hoffnung, auf die historische Insel „Robben Island“ und auf die Großbaustelle für das Fußballstadion für den Welt-Cup 2010. „Wir stehen auf dem Tafelberg!“ Immer wieder ertönte dieser Ruf, fast als ob man sich gegenseitig dieser einmaligen Erfahrung versicherte. Statt im Konzertsaal sangen die Regensburger Domspatzen auf dem 1086 m hoch gelegenen Plateau über der südafrikanischen Metropole. Wieder zogen sich die Wolken über dem Berg zusammen. Umso mehr erhielt Mendelssohns „Hebe deine Augen auf zu den Bergen“ aus dem Elias so eine unmittelbare Bedeutung. Das spätromantische, kraftvolle „Bonum est confiteri“ rührte in dieser Umgebung nicht nur die Begleiter der Domspatzen zutiefst an. Vorbeikommende Wanderer blieben ergriffen stehen. Es war einfach der perfekte Moment in einer ungeheuer dichten Atmosphäre. Die Wolken lichteten sich und eröffneten bei der Abfahrt wieder die weite Sicht auf den atlantischen Ozean.
Beim Abendessen speisten wir hervorragend zubereitete Meeresfrüchte. Und die Bedienung verharrte andächtig lauschend, als die Domspatzen in dem Lokal ihre Lieder anstimmten. Die Chefin eilte aus der Küche, lehnte im Türrahmen und wischte sich verstohlen Tränen von der Wange. „You are beautiful“, war ihr Dank an die Gäste. Das Lied aber war ein Dank des Chores an Dompropst Dr. Wilhelm Gegenfurtner und Domkapitular Peter Hubbauer als Vertreter des Domkapitels, das für die Domspatzen diesen Tag möglich gemacht hat. Die Domspatzen unterstrichen die Dankesworte von Domkapellmeister Roland Büchner mit großem Applaus.
Ein Tag geht zu Ende, der intensiv das Besondere dieser Reise bewies: Dass man im Augenblick jedes Eindrucks weiß, dass man ihn nie vergessen wird.
Donnerstag, 3. April 2008
Südafrika – Das Land des gemeinsamen Singens
Für die Domspatzen war es ein gelungener Abschluss der Reise durch das Zululand, aber auch eines schönen Tages. Den hatten sie in Durban, in einer der bedeutendsten Städte an der Küste Südafrikas, verbracht. In der uShaka Marine World, einem der größten Aquarien, erlebten sie in einer phantasievoll in einem Schiffswrack gestalteten Unterwasserwelt die faszinierende Artenvielfalt des Meeres. Eine Delphin- und Robbenshow, ein Mittagessen direkt am Indischen Ozean, Schwimmen und Toben in der riesigen Badeanlage – das fanden Buben und Männer richtig gut. Und einige hoben schließlich noch ab – mit dem Helikopter zu einem Rundflug über die 2 Millionenstadt.
Superior Dr. Wilhelm Gegenfurtner besuchte am Vormittag die Mallersdorfer Schwestern, die in Mariannhill ihre Krankenpflege-Ausbildung absolvieren. Pater Georg Lautenschlager führte die Gruppe der Daheimgebliebenen durch die beeindruckende Klosteranlage. An die Kirche schließt sich ein großer Kreuzgang mit Garten an, der in seiner schlichten Schönheit gefangen nimmt. Pater Georg erzählte von der Geschichte der Mariannhiller Missionare, die sich ebenfalls wie alle Orden, die wir bisher hier kennen gelernt haben, in einer Zeit des Umbruchs befinden. Nur noch fünf europäische Missionare leben im Kloster. Allerdings sind 40 einheimische Brüder zur Zeit in Ausbildung. Eine Ära in Südafrika geht langsam zu Ende, doch eine neue beginnt: die Zeit der afrikanischen Ordensschwestern und Ordensbrüder. Das Gemeinsame, das hier aufgebaut wurde, durften wir KwaZulu Natal erleben: die gemeinsame Freude am Glauben, das große Engagement in der Caritas, aber auch die Begeisterung, mit der Beides von den Einheimischen gelebt – und besungen wird.
Mittwoch, 2. April 2008
Südafrika – Das Land der Little Ten
Die hungrigen Jäger stärkten sich beim Frühstück in der Lodge, besuchten noch einmal die Krokodile und stimmten für die Chefin der Anlage ein Ständchen an. 250 Kilometer lagen nun vor uns, quer durch Zulu Natal, das einmal mehr die Vielfalt seiner Landschaften zeigte. Wir ließen die Krals hinter uns und je näher wir dem Meer kamen, umso deutlicher wurde, dass Südafrika von der Küste her besiedelt worden ist. Die europäischen Einflüsse haben vor allem die Architektur geprägt. Die luxuriösesten architektonischen Spielarten erwarteten uns schließlich in Ballito Beach, einem Badeort am Indischen Ozean. Bouganvilleabüsche mit tausenden pinker, weißer und orangefarbenen Blüten, meterhohe Oleander: inmitten reicher Flora eröffnen sich faszinierende Ausblicke auf das wild tosende Meer.
Die Domspatzen stürzten sich mutig in die hohen Wellen, kämpften kräftig und ausdauernd mit den sich türmenden Wogen. Erschöpft durften sie sich noch eine Pause am Strand gönnen, bevor wir das heutige Reiseziel anfuhren: das Kloster Mariannhill bei Durban. Der Trappist Franz Pfanner hat es 1882 gegründet und es war mit 67 Patres und Chorreligiosen sowie 199 Brüdern bald das größte Trappistenkloster der Welt, dem er bis 1894 vorstand. Die erfolgreiche Missionsarbeit Mariannhills ließ sich auf Dauer mit dem beschaulichen und zurückgezogenen Ideal der Trappisten nicht vereinbaren. Papst Pius X. trennte daher das Kloster Mariannhill vom den Ordensverband der Trappisten und gab den Weg frei zur Gründung der Kongregation der Missionare von Mariannhill. Zu Mariannhill gehörte früher auch die Missionsstation Maria Ratschitz, die heute als Konvent von den Mallersdorfer Schwestern geführt wird. Die Verbindungen zum Bistums Regensburg reichen aber noch weiter. Hier sind heute die beiden emeritieren Bischöfe Dr. Friedrich Lobinger, der früher der Diözse Aliwal North vorstand, und Dr. Oswald Hirmer (Umtata) zuhause. Aus Burglengenfeld kommt Pater Dr. Georg Lautenschlager. Der 78-jährige Priester ist Mariannhiller Missionar und Postulator für den Seligsprechungsprozess von Abt Pfanner. In der riesigen Klosteranlage durften wir unsere Zimmer beziehen - mit Blick auf das nächtlich erleuchtete Durban.
Dienstag, 1. April 2008
Südafrika - Das Land großartiger Natur
Am Morgen nahmen wir Abschied von den Mönchen der Abtei, die uns mit benediktinischer Gastfreundschaft aufgenommen hatten. Ebenso aber auch von Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller, Kaplan Michael Dreßel und Schwester M. Godehard, die mittags von Johannesburg zurück nach Deutschland flogen. Der Bischof spendete uns den Reisesegen für unsere weitere Tour, bevor wir Inkamana nach fünf erlebnisreichen Tagen verließen. Rund dreieinhalb Stunden Fahrt Richtung Küste lagen vor uns. Die Sonne schien heute noch ein bisschen heißer. Leider lief auch der Bus der Knaben auf halber Strecke heiß. Die Buben durften umsteigen. Für sie ging es direkt weiter zum Hluhluwe Umfolozi Nationalpark. Für die Männerstimmen war eine Zwangspause angesagt. Sie machten das Beste draus – that’s Afrika. Sie tauchten ein in das bunte Leben eines afrikanischen Obst- und Gemüsemarkts, aßen bei Wempy an der Tankstelle inmitten des quirligen Geschäftstreibens der Einheimischen. Als die Männer kurz nach 17 Uhr auch im Nationalpark ankamen, war es die individuelle Ankunft der Domspatzen: Sie stiegen aus dem Bus und schmetterten ein erleichtertes „Halleluja“.
Hluhluwe – das ist Idylle pur: so weit das Auge reicht großartige Natur. Bereits 1897 wurden, etwa 250 Kilometer nördlich von Durban, die beiden Wildreservate Hluhluwe und Umfolozi zum Schutz der letzten Nashörner gegründet. Sie waren die ersten Tierschutzgebiete im südlichen Afrika. 1998 wurden die beiden Parks und der dazwischenliegende Korridor zum Hluhluwe-Umfolozi Park vereinigt. Er hat eine Größe von über 96 000 Hektar und ist damit der viertgrößte Park des Landes. Neben 1250 Breitmaul- und 300 Spitzmaulnashörnern leben in dem Reservat Löwen, Geparden, Leoparden, Giraffen, Elefanten, Büffel, Krokodile, Gnus, Impalas, Zebras, Antilopen und Hyänen. Wir befinden uns noch immer im Zululand, haben heute Landschaften mit bizarren Felsformationen durchfahren, waren unterwegs auf von reich blühenden Bäumen gesäumten Straßen. Vor uns erstreckten sich weite Ebenen mit Savannengras und den ausladenden Baumkronen der Akazien. Das alles ist Kwazulu-Natal. Die Domspatzen besingen in ihren Liedern die Größe des Schöpfers, hier erleben wir die Schönheit seiner Schöpfung.
Inmitten dieses Areals üppigen Grüns liegt unser Quartier, die Zulu Nyala Heritage Safari Lodge. Mit uns leben auf der Lodge übrigens Zebras, die friedlich zwischen den Tischen grasen, und mehrere Krokodile. Zur Beruhigung der Eltern: Die Domspatzen sind noch vollzählig. Und sie sangen nach dem Abendessen auf der Lodgeterrasse mit den Zulutänzern die südafrikanische Nationalhymne.
Südafrika – Das Land der Armut
Mit diesen Eindrücken fahren wir heute nach Nkandla, hinein ins Herz des Zululandes. Der Benediktinerbischof Aurelian Bilgeri, ein ehemaliger Zögling der Mallersdorfer Schwestern im Memminger Waisenhaus, hatte im Mutterhaus darum gebeten, dass „seine“ Schwestern in seinem Missionsgebiet in Südafrika eingesetzt werden. Zwei der vier ersten Missionarinnen waren Krankenschwestern. Sie übernahmen in dem Dorf Nkandla eine Missionsstation mit kleiner Klinik. Das war 1958. Und so feiern wir heute in der Dorfkirche „50 years of serving the community of Nkandla in pastoral care, health work und psyhosocial outreach“. Bürgermeister, Diözesanverwalter, Vertreter des Gesundheitsministeriums – sie alle gaben den Nardini-Sisters die Ehre, um ihre Achtung und ihren Dank auszudrücken. Die Jubiläumsandacht bietet auch gleich noch eine Premiere: Die afrikanischen Schwestern aus Vryheid haben mit den Männerstimmen die Busfahrt zu einer spontanen Chorprobe genutzt und singen nun gemeinsam mit den Domspatzen das Halleluja.
Ein musikalisches Willkommen gibt es von den „Sizanani children“, einem Chor von Waisenkindern. Sie haben im Sizani-Center, einem von den Schwestern errichteten Zentrum, ein Zuhause gefunden. Der Auftritt vor großem Publikum verbindet die Kleinen. Doch stehen dort vor dem Altar singend Mädchen und Buben mit ihrem jeweils ganz eigenen schweren Schicksal. Während bei wenigen beim Applaus ein Lächeln über das Gesicht huscht, verrät bei den meisten der Blick, dass ihre Augen mehr gesehen haben, als ein Kind je erleben sollte. Sie haben zum Teil ihre Eltern verloren, meist durch Aids, einige sind selbst infiziert. Die anderen sind Sozialwaisen. Ihre Eltern haben sie im Stich gelassen.
Die Ärmsten der Armen: Für sie sind die Nardini-Sisters in Nkandla da. Schwester M. Ellen Dr. Lindner, 1955 in Floß geboren, hat 2005 die Leitung des Krankenhauses aufgegeben. Als sie selbst erkrankte und mehrere Monate nicht in der Klinik sein konnte, wurden im Krankenhaus Abtreibungen als Klinikleistung eingeführt. Da es sich um ein staatliches Krankenhaus handelt, müssen alle staatlichen Verordnungen im Hospital durchgeführt werden. Schwester Ellen sah zudem, dass der Einsatz der Schwestern außerhalb der Klinik noch viel mehr gebraucht wird. Die AIDS-Kranken werden oft aus dem Krankenhaus entlassen, wenn man ihnen medizinisch nicht mehr helfen kann. Sie werden nach Hause geschickt, wo oft jede nötige Versorgung fehlt. Die Ärztin hat inzwischen eine Art Sozialstation aufgebaut. 15 Helfer, sogenannte Care Givers, haben die Nardini-Sisters inzwischen ausgebildet. Sie fahren hinaus in die weit verstreuten Krals, um AIDS-Kranken, vor allem aber Kindern zu helfen.
Wir haben in der vergangenen Woche soviel über die Arbeit der Schwestern gehört, Eindrücke in den verschiedenen Konventen in Südafrika gewonnen. Doch was sie tatsächlich leisten, das wird uns heute hautnah deutlich. In kleinen Gruppen fahren die älteren Domspatzen und einige Begleiter am Nachmittag zu den Menschen, die für die Nardini-Sisters im Mittelpunkt stehen.
Gemeinsam mit den Care Givers verlassen wir im Geländewagen bald die befestigte Straße. Auf dem Feldweg wirbelt der rote Staub auf. Die Fahrspur ist ausgeschwemmt, tiefe Löcher machen das Passieren schwierig. Immer wieder taucht nach ein paar Kilometern ein Kral mit Rundhütten hinter der nächsten Biegung auf. Wir halten an. Zu unserem Ziel führt kein Feldweg. Durch das hohe Gras suchen wir einen Pfad, setzen vorsichtig Schritt für Schritt auf dem unebenen Gelände. Querfeldein gehen wir über den Hang hinab, unsicher was uns erwartet. Am Rand des weiten Tals steht eine Rundhütte. Ein sechsjähriges Junge in zerrissenem T-Shirt und zu kleinen Hosen und ein sein neunjähriger Bruder in ebenso verschlissenen Hemd und Hose drängen sich an die Lehmwand, schauen uns schüchtern an. Schnell stellt sich heraus, dass die Mutter nicht da ist. Die Mutter, sie ist 42 Jahre alt, an AIDS erkrankt und hat fünf Kinder. Der Vater hat die Familie längst verlassen. Er sucht sein Glück allein in Johannisburg. Die Care Givers fragen nach. Ganz leise erzählen die beiden Kleinen, dass sie heute noch nichts gegessen haben. Sie haben auch nichts zu trinken. Die Sonne brennt heiß auf den Lehmboden, über den die Kinder ein selbstgebasteltes Auto mit Lenkstange ziehen. Ihr einziges Spielzeug haben sie aus Drähten, Pappkartonstücken und anderem Abfall selbst gebastelt. Ihr Zuhause ist ein strohgedeckter Rundbau mit winzigen Fensteröffnungen. Sie sind mit PVC-Folie zugestopft. Für Fenster fehlt das Geld. Kein Lichtstrahl dringt ins Innere. In der Mitte der rund sechs Quadratmeter liegt ein einziges Holzstück auf der kalten Feuerstelle. Auf einem Schränkchen liegt eine Medikamentenschachtel, steht eine Blechschüssel. Daneben steht eine kleine Schachtel OMO, eine Zahnbürste steckt in der Plastikverkleidung des Fensters. An der Wand lehnt ein Stück abgerissener Schaumstoff. Es ist die Schlafunterlage für die Familie.
Benedikt, Uwe, Dominik, Sebastian, Josef, Herr Liebl und ich stehen hilflos vor den Kindern. Inzwischen ist ihr 23-jähriger Bruder gekommen. Er hat eine Ohrenerkrankung und konnte deswegen keinen Schulabschluss machen. Zur Zeit hilft er auf einer Baustelle in Nkandla mit, ohne Lohn, und hofft, dass er dort irgendwann eine feste Anstellung findet. Das wünscht er sich. Er mag den kleinen Garten neben der Rundhütte, den sie mit Hilfe der Nardini-Sisters angelegt haben. Doch für weitere Gemüsepflanzen reicht das Geld auch nicht. Er möchte selbst einmal einen Garten haben. Doch dafür braucht er Arbeit. Gegessen hat auch er heute noch nicht. Als wir das bisschen Obst, das wir im Auto haben, holen und es ihnen zusammen mit einem Müsliriegel geben, verteilt er alles tapfer an seine beiden Geschwister. Wann die Mutter zurückkommt, wissen sie nicht. Sie ist zu Fuß nach Nkandla aufgebrochen, um Essen zu holen. 400 Rand, also knapp 40 Euro, bekommt sie monatlich vom Staat, um vier Kinder – eines wurde gegen ihren Willen bei einer anderen Familie untergebracht – und sich selbst zu ernähren. Sie war vor einigen Wochen zu den Nardini-Sistern in den Konvent gekommen und hat um Hilfe gebeten. Sie haben sie zum AIDS-Test gebracht, haben die medizinische Versorgung übernommen. Die kleinen Kinder erhielten Schuluniformen, damit sie in die Schule gehen können. Was die Care Givers sonst noch für die Familie tun können? Die 34-jährige Thembokuhle Khanylle, die sie betreut, sagt: „Wir bringen ein bisschen Hoffnung.“ Essen und ein bisschen Hoffnung – das ist für die Kinder, die uns verlegen beobachten, uns im Gespräch ihr Lächeln schenken und uns zum Abschied mit beiden Händen unsere Hand drücken, viel.
Ein bisschen Hoffnung brachte auch Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller. Er besuchte mit Schwester Ellen eine Großfamilie im Kral. Die Mutter von acht Kindern ist an AIDS erkrankt, ihr Mann an dieser Krankheit bereits gestorben. Sie hat nach dem Tod ihrer Schwester, die vor kurzem an dem Virus starb, deren beide Kinder aufgenommen. Ihre älteste Tochter, ebenfalls AIDS-krank, ist gerade Mutter geworden. Auch der 14-jährige Sohn ist infiziert. Sie alle leben hier auf engstem Raum zusammen und kämpfen ums Überleben. Und sie leben mit dem Mut zu diesem Leben. Fremd und unsicher stehen sie den Besuchern gegenüber. Doch als der Bischof eines der Kinder auf seine Knie setzt, ist schnell jede Scheu überwunden. Die Mädchen und Buben singen ein Lied, die Lebensfreude siegt. Bischof Gerhard Ludwig betet mit der Familie und schenkt der Mutter einen Rosenkranz. Als der Care Giver ihr sagt, dass der Papst den Rosenkranz gesegnet hat, wollen alle Kinder ihn sehen und anfassen. Die Mutter zeigt ihn stolz her und hält ihn fest in ihren von der Arbeit zerschundenen Händen.
„Love is our life, Love is our destiny, Love is the only thing God commands from us, for the fulfillment of all our duties flows from it.“ Diese Worte des Ordensgründers Paul Josef Nardini standen bei der Jubiläumsandacht im Mittelpunkt. „Die Liebe Gottes drängt uns“, steht als Leitwort auf den Broschen der Mallersdorfer Schwestern. Nur diese drängende Liebe Gottes kann ihnen die Kraft geben, Tag für Tag das Schicksal der Menschen in Nkandla, in Südafrika, anzunehmen und es zu ihrem zu machen – und ein bisschen Hoffnung zu bringen, nicht nur durch Worte, sondern durch ihr Tun, in den ärmlichsten Krals inmitten einer paradiesischen Landschaft.